Produkttester sein – also Produkte kostenlos zugesendet zu bekommen um sie dann zu testen und ein Review zu schreiben: Daran klingt doch erstmal nichts verkehrt, oder? Ganz so einfach ist es aber leider nicht. Im ersten Teil unserer neuen begleitenden Blogreihe zum Forschungsprojekt SOFIE, welches Trustami in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz durchführt, schauen wir uns das Thema mal etwas näher an.
Wie man Produkttester wird
Die Suche bei Google spuckt zahllose Facebookgruppen und Webseiten aus, bei denen man sich als Produkttester registrieren kann. Manche davon sehen sehr professionell und seriös aus und auch nach einer kurzen Recherche finden sich keine Anzeichen darauf, dass es sich hier um ein Angebot der Kategorie „Zu schön um wahr zu sein“ handeln könnte.
Trotzdem finden sich in Foren viele kritische Stimmen zu der Praxis und auch ehemalige Produkttester gehören dazu. Diese beziehen sich allerdings meist auf die inoffizielleren Anbieter, die sich in Whatsapp- und Facebookgruppen organisieren. In einigen Forenposts ist sogar die Rede von Schmierkampagnen, in denen Produkttester die Produkte der Konkurrenz bestellen sollten um diese negativ zu bewerten. Den Wahrheitsgehalt dieser Behauptungen konnten wir in unserer Recherche jedoch nicht ermitteln.
Sogar namhafte Marken wie Rewe haben ein Produkttesterprogramm. Der Unterschied hier: Der Tester kann selbst entscheiden wie er ein Produkt bewerten möchte. Auch beim „Club der Produkttester“ wird viel Wert auf Unabhängigkeit gelegt. Die Tester müssen sich erst bei der Website bewerben, erhalten dann die Produkte und können danach ganz nach belieben testen und bewerten. Unternehmen können zwar Produkttests in Auftrag geben, haben aber sonst keinen Einfluss darüber, wie die Urteile der Tester ausfallen und auf welche Weise sie veröffentlicht werden.
Die weniger seriösen Angebote beziehen sich hingegen ausschließlich auf Produkte von Amazon Händlern und kommen mit Vorgaben für die Tester. Übrigens hat sogar Amazon selbst hat ein eigenes Produkttester Programm mit dem Namen Vine. Die Plattform folgt dabei jedoch strengen Richtlinien und lädt nur etablierte Rezensenten ein, an dem Programm teilzunehmen. Auch hier können die Produkthersteller selbst keinen Einfluss auf die Bewertungen nehmen und die Bewertungen sind sogar gekennzeichnet, sodass nicht der Eindruck entsteht, sie seien von normale Käufer geschreiben worden.
Es gibt also eine ganze Reihe legitimer Produkttester-Programme. In diesem Artikel möchten wir uns jedoch näher mit den weniger regulierten Testergruppen auseinandersetzen und haben uns deshalb zu Testzwecken bei verschiedenen Anbietern angemeldet.
In einer Whatsapp-Gruppe werden wir freundschaftlich empfangen, die Nachrichten sind in gebrochenem Englisch verfasst, die Profilbilder der Admins private Aufnahmen, welche sie vor Luxusautos posierend zeigen. Man fühlt sich stark erinnert an die windigen Börsen-Trading-Gruppen, die vor einiger Zeit die Runde machten.
Binnen kürzester Zeit werden wir mit Unmengen von Produktbildern bombardiert. Die Kommunikation mit den Tradern ist nicht immer ganz einfach, die Sprachbarriere führt zu Missverständnissen und teilweise wird man geradezu bedrängt etwas zu bestellen. Zu Testzwecken wählen wir in mehreren Gruppen diverse Artikel und bestellen sie auf Amazon. Dazu werden uns Links zugesandt, die zu einer Seite mit Suchergebnissen führt. Dort müssen wir dann den angebotenen Artikel auswählen und bestellen. So soll verhindert werden, dass Amazon Unregelmäßigkeiten aufspürt und die Bewertungen wegen Fake-Verdacht löscht.
Die angebotenen Waren sind häufig entweder Kosmetikprodukte oder Tech-Gadgets bzw. Zubehör. Auch einige obskure Nischenprodukte sind dabei, wie verschiedene Porenreiniger oder Kinderhandschuhe aus Schutzgeflecht, die einen sicheren Umgang mit Messern ermöglichen sollen.
Der Ablauf ist wie folgt: Erst wird das Produkt regulär auf Amazon bestellt. Dann schickt man dem Trader einen Screenshot mit der Bestellbestätigung die auch die Bestellnummer beinhaltet. Außerdem gibt man seine PayPal-Adresse preis, auf die man nach erfolgter Bewertung den Kaufbetrag zurückerstattet bekommt. Es dauert jedoch einige Tage bis die Rezension von Amazon freigeschaltet wird. Sobald dies passiert, schickt man dem Trader einen Screenshot davon und man erhält sein Geld zurück.
Schon nach wenigen Tagen trudeln bei uns reihenweise Pakete ein. Die Produkte sind allesamt Made in China, sie erfüllen ihren Zweck und die Verarbeitung ist durchaus akzeptabel, wenn auch nicht von höchstem Standard. Jetzt geht es ans Bewertungen schreiben. Auf Nachfrage erklären uns die Trader wie wir vorgehen sollen: Die Bewertung soll natürlich fünf Sterne enthalten und am besten sollen wir Phrasen verwenden wie „würde ich meinen Freunden und Verwandten empfehlen“ oder „tolles Preis-Leistungs-Verhältnis“.
Die Bewertungen müssen dann erst noch durch Amazon freigeschaltet werden. Die Plattform versucht Fakereviews zu erkennen und zu entfernen, bei dieser Methode, wo echte Käufer „echte“ Bewertungen abgeben, gestaltet sich die Erkennung jedoch schwer. Tatsächlich werden mit einiger Verzögerung alle unsere Reviews freigeschaltet, die wir dann per Link mit den Tradern teilen. Schon einen Tag später ist das Geld, abzüglich der Versandkosten auf unserem PayPal-Konto.
Ob sich das als Konsument wirklich lohnt, bleibt offen. Ja, man kann ein paar Gadgets abstauben und wenn man Amazon Prime hat, muss man keinen Cent dafür zahlen. Jedoch spart man auch nicht unbedingt Geld, da die Produkte meist nicht wirklich gebraucht werden. Längerfristig hat die Masche vor allem einen Effekt: Produktbewertungen bei Amazon verlieren an Vertrauenswürdigkeit und das schadet allen Verbrauchern. Immerhin gilt dies vor allem für die Billigprodukte, denn etablierte Marken haben es nicht nötig derartige Methoden anzuwenden. Aber dennoch haben ehrliche Händler einen deutlichen Wettbewerbsnachteil. Wir haben uns zumindest entschlossen unsere Reviews zu löschen und die Produkte samt Prämie zurückzugeben. Unseren Lesern können wir nur den Rat mit auf den Weg geben: Vorsicht bei billigen No-Name-Produkten mit auffallend guten Bewertungen!