In unserem letzten Blogpost zum Thema haben wir den Selbsttest gemacht und die Reihen der Produkttester infiltriert: Produkttests die nicht wirklich welche sind, sondern viel mehr unlautere Werbung im Austausch gegen Ware. In diesem Beitrag möchten wir weiter die Hintergründe der Praxis beleuchten, die Folgen und mögliche Gegenmaßnahmen. Außerdem möchten wir Konsumenten ein paar Tipps mit auf den Weg geben, wie man die betrügerischen Händler ausfindig machen und umgehen kann.
Bei unserem Selbstversuch sind wir auf Unmengen von Anbietern für unlautere Produkttests gestoßen, sowie auf einen nicht endenden Strom an Billigprodukten aus China, die auf diese Weise beworben werden. Meist sind es Gadgets die nur begrenzten praktischen Nutzen haben, Kosmetika mit zweifelhafter Wirkung und zum Teil völlig absurde Produkte die nie eine Zulassung in Deutschland erhalten würden.
Tatsächlich weisen vor allem elektronische Billigprodukte oft Mängel auf, die bei falscher Handhabung lebensgefährlich sein könnten. In den Herstellungländern gelten andere Richtlinien für die Produktion und die Ware wird ohne erneute Prüfung importiert. Auf der Suche nach einem Schnäppchen folgt dann nicht selten eine böse Überraschung, zum Beispiel weil das Produkt den Zweck nicht erfüllt oder in Sachen Haltbarkeit durchfällt.
Trotzdem weisen die betroffenen Artikel eine große Anzahl positiver Bewertungen vor und täuschen so Käufer über ihre Mängel hinweg. Aber nicht nur diese sind Opfer der Masche. Durch die als Produkttests getarnten Werbemaßnahmen, verlieren auch redliche Händler potentielle Kunden. Bei Amazon werden nämlich Artikel mit besonders vielen positiven Bewertungen besser in der Suche gerankt und werden dadurch eher angeklickt als andere. Wer sich also Bewertungen kauft, hat einen klaren Wettbewerbsvorteil. Juristisch ist die Sache eindeutig: Produkttests sind zwar erlaubt, dürfen sogar belohnt werden, diese Belohnung darf aber nicht von dem Inhalt der Bewertung abhängig gemacht werden.
Allerdings gilt auch: Wo kein Kläger, da kein Richter. Der Aufwand rechtlich gegen die betrügerischen Konkurrenten vorzugehen, lohnt sich einfach nicht. Zum Einen ist die schiere Anzahl der entsprechenden Händlerprofile auf Amazon überwältigend, zum Anderen werden gesperrte Profile einfach an anderer Stelle neu eröffnet, der Firmenname geändert und das selbe Produkt erneut angeboten.
Am Ende bleibt es am Käufer hängen, zu erkennen, ob es sich um betrügerische Händlerprofile handelt oder nicht. Aber auch Amazon hat eine Verantwortung. Zwar beruft sich der Internetriese darauf, dass er nur die Plattform bietet und die Händler selbst für ihr Handeln verantwortlich sind, aber ganz so einfach ist die Sache nicht. Immerhin verdient Amazon eine stattliche Provison an jedem Verkauf und hat somit auch die Verantwortung gegen Fakes vorzugehen.
Tatsächlich ist der Maktplatz nicht ganz untätig. Durch den Einsatz von Algorithmen sollen Fakebewertungen ausfindig gemacht und gelöscht werden. In unserem Test hat sich jedoch rausgestellt, dass diese Prüfung nur in der Theorie funktioniert. Zwar werden die Algorithmen auf positive Bewertungen aufmerksam, die in hoher Frequenz über einen gewissen Zeitraum abgegeben werden, allerdings tut sich die KI schwer darin, Bewertungen von echten Käufern als Fake zu erkennen.
Die Anbieter von falschen Produkttests passen sich an Amazons Gegenmaßnahmen an. Statt auf einzelne Fakeprofile, die Produkttests in hoher Menge produzieren, setzt man jetzt auf ein großes, dezentrales Netz von privaten Konten. Bewertungen, die von Profilen stammen, die auch echte Käufe tätigen, sind schwer eindeutig als Fake zu bestimmen.
Die Drahtzieher der Fake-Produkttests beschäftigen Scharen von unabhängigen Agenten, die per Whattsapp oder Facebook ihre Tester rekrutieren. Die Firmen haben ihren Sitz häufig in China, Pakistan oder Indien, wo sie nur schwer zu Rechenschaft zu ziehen sind. Die Agenten an sich sind nur lose mit den Agenturen verbunden und arbeiten oft von zuhause aus und verwenden dabei ihre privaten Social Media Kanäle. Sie erhalten Provision für jede gelieferte Bewertung und sammeln dafür hunderte von „Testern“ um sich.
Trustami befasst sich schon lange mit dem Aufspüren von Fakebewertungen und erforscht deshalb, wie diese besonders raffinierte Methode des Betrugs vermieden werden kann. Häufig ist die Herangehensweise, zum Beispiel bestimmte Formulierungen und wiederkehrenden Schemata zu analysieren und diese mithilfe von Algorithmen ausfindig zu machen. Das funktioniert aber nur, wenn man es mit Bots zu tun hat, Computern, die Bewertungstexte generieren. Bei echten Käufern, die echte Texte schreiben, versagt die Methode jedoch.
Ein anderer Ansatz wäre, sich stattdessen auf die Netzwerke zu konzentrieren. Kann man einzelne Produkte oder Händlerprofile ausfindig machen, die falsche Produkttests in Anspruch nehmen, ist es nicht schwer, von dort aus weiter zu forschen. Man muss lediglich sämtliche Bewertungen des Produkts und die Bewertunghistorie der Bewertenden Kundenkontos auswerten und findet so weitere Produkte die potentiell verdächtig sind. Produkttester lassen sich häufig mehrere Artikel zuschicken, wenn man also eine große Anzahl von positiven Bewertungen eines Kundenkontos bei mehreren verdächtigen Produkten feststellt, kann man von einem System ausgehen. Zumindest, wenn sich dieses Muster bei anderen Nutzerkontos wiederholt.
Zwar ist die Organisation der falschen Produkttests mit Absicht dezentral, um die Vorgänge zu verschleiern, jedoch kommen alle Fäden letztlich an einer Stelle zusammen: Dem Produkt. Nahezu alle Kanäle bieten nämlich die gleichen Artikel an, egal ob Facebook oder Whatsapp. Durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz wird es zu einer leichten Aufgabe die Muster offenzulegen. Allerdings kann nur Amazon die Bewertungshistorie seiner Kunden einsehen und müsste deshalb selbst zur Tat schreiten. Ob das tatsächlich im Interesse des Marktplatzes liegt, ist jedoch fraglich.
Immerhin: Nur ein bestimmter Teil von Amazons Sortiment ist von der Fake-Flut betroffen. Bei Markenartikel und Produkten aus der EU darf man den Bewertungen noch Vertrauen schenken. Aufpassen sollte man hingegen bei Artikeln ohne bekannten Hersteller, deren Herkunft nicht zu ermitteln ist oder die in China hergestellt werden. Hier darf man sich nicht von der großen Anzahl von guten Bewertungen täuschen lassen und sollte stattdessen eine eigene Recherche im Netz anstellen.